Zur Geschichte des Dachreiters (Glockentürmchen) am Kloster in Werne
(Exzerpte aus der Chronik des Klosters)

Die Kapuziner haben an ihren Kirchen und Klöstern keinen richtigen Glockenturm, das würde dem  Armutsgelöbnis widersprechen. Auf den Dächern der Kapuzinerkirchen findet man aber einen Dachreiter, also ein verkleinertes Türmchen.  2018 war der Dachreiter am Kloster in Werne mal wieder eingerüstet, weil der Zahn  der Zeit am Bleimantel so heftig genagt hatte, dass bereits Wasser eindringen konnte. 1*   Dieses war nicht die erste Reparatur. Seit der Errichtung des Türmchens 1680 hat es bereits mehrere kleinere und größere Erneuerungen gegeben. Über diese Reparaturen findet sich einiges in den Chroniken des Klosters, auch über die Kosten und die beteiligten Handwerker.

Die erste Reparatur im Jahr 1749 kostete damals 25 Reichstaler, 1802 reichten 15 Reichstaler, von der Reparatur im Jahre 1905 berichtet eine Urkunde, die im Apfel des Türmchens niedergelegt  war: „Zur Erinnerung an die Turm- et Glockenarbeiten am Kapuzinerkloster. Werne, den 29. Juli 1905:  Paul Jordan,  Schmiede et Schlosser.“ Eine ähnliche Urkunde lag dabei aus dem Jahre 1926, als Carl Reckers das Kreuz 2* neu geschmiedet und der Guardian einen „Jubiläumshahn“ angefertigt hatten. Beigefügt waren die Namen der damaligen Klosterfamilie und des Ausgehers Franz Dieckmann. (Anm.: Im Jahr 1928 wurde das  700jährige Franziskus-Jubiläum groß gefeiert.  Zu diesem Anlass waren seinerzeit (nach 1911)  die (jetzigen) Altargemälde gegen Bilder des Werner Malers Heinrich Repke ausgetauscht worden. Sein großes  Altarbild hing bis 2020 in der Kirche hinten neben der Orgel. Es befindet sich heute im Repke-Museum in Widenbrück.)   3*

In 1963 wurde der komplette Turm erneuert.  Die Chronik  vermerkt, dass bereits 1680 Soldaten bei der Errichtung geholfen hatten. Auch 1963  wollte die Bundeswehr helfen. Doch die Haube des Turmes hatte ein größeres Gewicht, als ein gewöhnlicher Hubschrauber in der Luft stehend halten konnte. Daher hob ein Kran die Hauptstreben (12-14 Zentner) und alle Teile der Holzkonstruktion (ca. 8 Tonnen) in die Höhe. Dafür war vor Jahrhunderten erhebliche Muskelkraft vonnöten. Während der Reparaturarbeiten mussten die Werner auf das gewohnte Mittagsgeläut verzichten."

Über die verschiedenen Glocken soll im Folgenden auch berichtet  werden.

Errichtung des Glockenturms 1680  (Wiedergabe aus der Chronik; die Übersetzung aus dem Lateinischen stammt vom damaligen Guardian P. Konradin  aus Kella.)

     
 

Nach Vollendung des Klosterbaus begab man sich mit Eifer an die Errichtung der Kirche. Der Propst von Cappenberg, Bernard Theodor von Westram, legte am 10. August 1677 den Grundstein, zeigte aber auch seine freigebige Hand, als viel Holz gebraucht wurde, um den Dachstuhl und den Glockenturm zu errichten. Von diesen letzten Arbeiten berichtet der Chronist jener Jahre, der Guardian P. Paschalis von Doesburg: „Dazu wurde ein Baumeister von auswärts zugezogen. Gegen Ende des Jahres 1679 hatte man einen Vertrag abgeschlossen, dass er mit seinen Leuten zu gegebener Zeit das Gebälk der Kirche und des Turmes für 125 Reichstaler herrichte und aufsetze.

Da das Wetter in der ganzen Winterzeit so ungünstig blieb, dass kaum ein Fuhrwerk zu haben war, kam der Baumeister erst am 14. Februar 1680. Nun erwuchsen den Brüdern neue Mühen. Einerseits hinderte das ungünstige Wetter, andererseits drängte die Anwesenheit des Zimmermanns und es fehlte noch an genügend Holz. Aber die ganze Umgebung geriet in Staunen, wie ersichtlich der einzigartige Beistand Gottes bei unseren Unternehmungen war. Von Gottes Gnade bewogen, eilten die Wohltäter und benachbarten Bauern eifrig zu unserer Unterstützung herbei, mehr als wir zu bitten und zu erwarten gewagt – , was sie sicherlich bei den beschwerlichen Wegen für keinen Lohn getan hätten. So mussten wir die Handwerker nicht wegschicken, wie wir vorhatten, bis alles angefahren war, was für das Gebälk gebraucht wurde.    4* Ich fühle mich an dieser Stelle auch verpflichtet, ruhig mit einem kurzen Wort – zur Kenntnis für die Nachkommen, damit es in ihrer Erinnerung bleibt und sie mit Recht nach Jahrhunderten an den Verdiensten der guten Werke teilhaben,- den unermüdlichen Fleiß der gegenwärtigen Brüder bei den verschiedenen Arbeiten hervorzuheben. Sie schienen sich verschworen zu haben, durch ihren Eifer bei den täglichen Verrichtungen Kosten zu mindern, die für die langwierigen Arbeit zu zahlen waren, mehr als ich je erbitten oder befehlen wollte. So sah man die Brüder das Holz zum Richtplatz bringen (wie es mit dem Baumeister vereinbart war), nämlich auf das unserem Garten benachbarte Feld, das uns für ein ganzes Jahr der Bauer Beckingh gütig zur Verfügung gestellt hatte. Von dort fuhren sie das bearbeitete Holz zum Garten, so dass es nachher innerhalb von 18 Tagen, hauptsächlich durch ihren Eifer- (nur einige Soldaten halfen)- herbeigebracht und hochgezogen war. Der Baumeister führte die Arbeit gemäß Vertrag aus. Da das Werk so erfolgreich ablief, und er den Vertrag ohne Einbuße einhalten konnte – was er vor allem der Mitarbeit der Brüder zuschrieb- , richtete er zum Dank darüber hinaus (gegen Bezahlung) auch das Gebälk für den Gang neben der Kirche und für das seitliche Oratorium, das damals noch nicht vollendet werden konnte, weil dort ein Kalkofen stand. Am 4. Mai (1680) setzte er seinem Werk die ersehnte Krone auf. Zum ewigen Gedenken wurde in den Apfel oder mittleren Baum des Turmes ein Schriftstück folgenden Inhalts eingeschlossen: Im Namen der Allerheiligsten und ungeteilten Dreifaltigkeit, Amen. Im Jahre des Heiles –das uns durch Jesus Christus, unseren Herrn und Erlöser wieder hergestellt- 1680, einem Schaltjahr, im III.Jahr der päpstlichen Indiction, im 476. Jahr des Seraphischen Ordens, im 155. Jahr der Kapuzinerreform, im 69. Jahr dieser Kölner Provinz, im 21. Jahr dieses Klosters zu Werne, als Innozenz XI. die Schlüssel der Kirche Gottes hielt, da Leopold I. als Römischer Kaiser regierte, als Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg die Diözese Münster leitete, als R.P. Bernard von Porto Mauritio General des Kapuzinerordens, R.P. Georg von Düsseldorf Provinzial der Kölner Provinz, P. Paschalis von Doesburg Guardian dieses Konventes, Johannes Engelbert Ascheberg Apostolischer Syndikus und Geistlicher Vater, seine Gatti,n Verena Bosendorff , unserem Orden geneigte Mutter; als an dem Werk eifrigst mitarbeitete die Klosterfamilie: P. Jeremias von Emmerich; P. Carl von Hildesheim, Vikar; P. Ivo von Münster; P. Serapion von Münster; P. Josias von Köln; P. Gerhard von Coesfeld; von den Laienbrüdern: Br. Andreas von Jülich; Br. Hermann von Jülich (durch dessen Hände hauptsächlich die Steine gebrochen wurden); Br. Ambrosius von Oelde als Baumeister; Br. Angelicus von Warendorf; Br. Silvan von Sonsbeck; nachdem der hochwürdigste und durchlauchteste Fürstbischof von Münster, Christoph Bernard seligen Andenkens, zwei Jahre vor seinem Tode, Im Jahre 1677 am Feste des hl. Märtyrers Laurentius durch den hochwürdigsten und hochgeehrten Herrn Propst von Cappenberg, Bernard Theodor von Westram, feierlich den Grundstein zu dieser Kirche hat legen und dieselbe den Aposteln Petrus und Paulus hatte weihen lassen; als durch deren Freigebigkeit wie mit allgemeiner Hilfe der frommen Katholiken des Landes und der Pfarrei die Kirche erbaut und aufgerichtet war,- wurde schließlich am 30. April, am Vortag des Festes der hl. Apostel Philippus und Jakobus, als Krönung des frommen Werkes, zur Ehre des Allerhöchsten Ewigen Gottes, der Gottesgebärerin und milden, süssen Jungfrau, wie auch der hl. Schutzengel, unseres hl. Vaters Franziskus, des hl. Antonius von Padua und der ganzen triumphierenden Kirche – als ewiges Mahnmal dieser Turm bei seiner Errichtung mit dem Kreuzeswappen Jesu Christi versehen und bewehrt.“

 
  Erinnerung an die Turmerneuerung 1963  5*/ 6*    
     
 

Als Erinnerung an die vollständige Erneuerung des Glockenturms stand auf der Urkunde:

„Im Jahres des Heils 1963-, als Papst Johannes XXIII. die Kirche Jesus Christi lenkte und das II. Vatikanische Konzil in Rom tagte, als Dr. Josef Höffner Bischof von Münster, Josef Köckemann Dechant der Stadt und des Dekanats Werne, Rdms. P. Clemens von Milwaukee Provinzial des Kapuzinerordens, A.R.P. Camillus von Magdeburg Provinzial der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz, als das deutsche Vaterland nach dem unseligen Kriege immer noch gespalten, Dr. Heinrich Lübke Bundespräsident, Dr. Franz Meyers Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Franzjosef Grube Bürgermeister, Dr. Erich Schnitzler Stadtdirektor der Stadt Werne an der Lippe, P. Konradin von Kella Guardian des Konventes, wurde mit Unterstützung der Denkmalpflege des Landes Nordrhein-Westfalen, des Bischöflichen Stuhles zu Münster, des Rates der Stadt Werne a.d.Lippe sowie der Wohltäter unseres altehrwürdigen Kapuzinerklosters von den Handwerkern zu Werne a.d.Lippe: Friedrich Steinweg als Zimmermann, Heinrich Rohkamp als Klempner, Ludwig Lücke als Dachdecker, Jakob-H. Evers als Kunstmaler, Hermann Pölker als Schmied, Hermann Steinweg als Bauunternehmer dieser Turm der Kapuzinerkirche als ewiges Wahrzeichen in seiner Form, wie er von Br. Ambrosius von Oelde entworfen und am 4. Mai 1680 errichtet worden war, vollständig erneuert und wieder aufgerichtet.“

 
  Die Glocken im Dachreiter der Kapuzinerkirche  
     
 

Der Dachreiter auf der Kirche hatte bereits nach der Errichtung des Türmchens eine kleine Glocke. „Am Weihnachtsabend 1680 konnten die Gläubigen durch den Klang der kleinen Glocke im Dachreiter der Kirche zur ersten hl. Messe gerufen werden.“  Ab 1794 wird ein Glöckchen erwähnt, das 1942 vernichtet worden ist. Erst 1946 gab es eine neue Glocke von der Fa. Glockengießerei A. Petit. Über die Einweihung berichtet die Chronik: „Am 1. Sonntag im Oktober konnten wir unser neues Glöcklein einweihen. Es wurde von einem Freund des Klosters gestiftet. Das Glöcklein ist aus Bronze und wurde hergestellt in der Glockengießerei Petit & Gebrüder Edelbrock in Gescher. Die Weihe wurde mit der Nachmittagsandacht verbunden und von P. Venantius vollzogen. Die Weihepsalmen wurden von den Klerikern chorweise gebetet. Dieselben bereicherten auch die Weihestunde durch ihre Gesänge. Die Gläubigen, vor allem die Wohltäter des Klosters, waren zahlreich erschienen. Die Glocke ist auf „Maria“ getauft. Möge sie recht lange Klosterinsassen und Gläubige zum Gebete rufen und nie wieder den Kriegsfurien zu Opfer fallen.“  7*

 
     
 

 

Die Glocke wiegt 100kg, hat den klingenden Ton f2, ist aus Bronze und hat die lateinische Inschrift:  

 
+VECORDIS BELLI MACHINA VORAVIT VETUS AES+  SOLUTO QUOD NUNC OPPIDO REFECIT GRAVIS PAX, UT PROCUL CLADE AERIS QUAE PAVENT CORDA TOLLEREM FESTO SONO. 1946+

 

+Die Maschine eines wahnsinnigen Krieges hat das alte Erz verschlungen+ Dieses Erz hat jetzt nach der Befreiung der Stadt ernsten Frieden neu geschaffen, damit ich weiterhin mit festlichem Klang die Herzen aufrichte, die in Angst erzittern beim Unheil aus der Luft.+

 

     
 

Außer dieser Glocke befinden sich noch zwei weitere (nicht zugängliche) Glöckchen in einem Dachreiter auf dem Südtrakt des Klosters. Diese übertrugen ab 1693 die Stundenschläge der historischen Uhr, die sich immer noch auf dem oberen Flur in der Klausur befindet. Die viertelstündlichen Schläge wurden nicht nur nach außen übertragen, sondern bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts auch in die Kirche. 8*

 
 

9* Desweiteren befindet sich eine bronzene Glocke im Kloster, über deren Herkunft keine genauen Angaben gemacht werden können. Sie trägt folgende Inschrift:

 

SEMPER IN LAUDEM MARIAE + MATTIAS FRIDERICUS DE FALCKENSTEIN &  ANNA AGNET ANNO 1718 DE SPIEG?LL CONJUGES POSUERUNT

 

+ Immer zum Lob Mariens. Mattias Fridericus von Falckenstein  und Anna Agnet  wurden im Jahre 1718 von Spiegell getraut +

 
 

Ältere Mitbürger erinnern sich noch gut an die Pfortenglocke (11*), die von Hand (10*)geläutet wurde und durch das ganze Haus zu hören war. Sie hat heute einen dekorativen Platz im Innenhof gefunden. Die Pausen- und Essenszeiten für die Gärtner aus dem Kolping- und Freundeskreis werden über die Glocke am Kücheneingang signalisiert. Sie ist ein Geschenk an das Kloster. Die Aufhängung und das Regendach wurden vom Freundeskreis besorgt.

 
 

Bilderauswahl

1*  Gerüst am Dachreiter 2018
2*  Franziskuskreuz von 1980
3*  Kircheninneres mit Altären 1925
4*  Zeichnung vom Kloster 1856 mit Turm
5*  Dachreitergerüst  1963




6*   Baugerüst mit Kran 1963
7*   Glocke von 1946 im großen Dachreiter
8*   kleiner Dachreiter mit Uhrenglocken
9*   Handgriff zur Pfortenglocke
10* Pfortenglocke im Innenhof

©Gregor A. Zumholz       25.07.2018